Artikel Tagesanzeiger, 22.2.08

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(c) Tages-Anzeiger; 22.02.2008
Ungustl, Sprachakrobat und Wortverdreher

Von Claudia Porchet

Der Innsbrucker und Wahl- zürcher Heinz D. Heisl hat dem österreichischen Haymon-Verlag 2005 den Rücken gekehrt. Seither ist kein Buch mehr von ihm erschienen. Bis jetzt.
Von Claudia Porchet

Es weht ein kalter Hauch durch Zürichs Bahnhofhalle. Im Arcade ist es nicht viel wärmer. Heinz D. Heisl sitzt an einem Tischchen, trinkt einen Tee und zieht den Schal enger um den Hals. «Vor zwei Tagen lag ich noch mit Grippe im Bett.» Was den Schriftsteller, Musiker und Performer weder vom Schreiben noch vom Reisen abgehalten hat. Der 55-jährige Innsbrucker und Wahlzürcher hat schon Schlimmeres erlebt: zum Beispiel das Zerwürfnis mit dem österreichischen Haymon-Verlag.

Im Verlauf der Schreibarbeit an einem Erzählband mit Eisenbahngeschichten zwischen Wien und Zürich ist Heisl auf die «Schnanner-Affäre» gestossen. 1945 versuchten Pfeilkreuzler, ungarische Nazis, jüdisches Raubgold durch Österreich in die Schweiz zu schaffen. Die Alliierten, in diesem Fall die französische Armee, standen jedoch bereits auf der anderen Seite des Arlbergs. Die Pfeilkreuzler vergruben das Gold in aller Eile in einem Waldstück bei St. Anton. Der Schatz wurde aber bereits nach Stunden von Einheimischen entdeckt. Und die bedienten sich. «Darüber musste ich schreiben, weil sich in Österreich, also auch in Tirol, das Vergessen ungeniert mit dem Verschweigen paart.»

«Aberwitzige Lektoratstumulte»

Heisl hat aus einem Stück Geschichte zwei gläserne, gespenstische Texte gemacht. Die Sprache ist im Vergleich zu früheren Arbeiten fast zahm zu nennen. Der Autor hatte bei Haymon schon viel Wilderes geschrieben: Bände, in denen er sich als entfesselter Sprachakrobat und irrwitziger Wort- und Sinnverdreher austobte. Der Haymon-Verlag hat die Eisenbahngeschichten zwar veröffentlicht. «Vorab aber war es noch zu einigen geradezu aberwitzigen Lektoratstumulten gekommen», erinnert sich der Autor kopfschüttelnd.

Wie auch immer der Streit im Detail verlaufen ist: 2005 erschien jedenfalls Heisls Erzählband «Wohin ich schon immer einmal wollte» mit den zwei Geschichten rund um die Arlberger Goldaffäre: In «Feriengäste I» kehren die ermordeten Juden als stumme Zugpassagiere zurück. In «Feriengäste II» versuchen Behörden und Verantwortliche, das Verhalten der Bevölkerung - damals wie heute - als durchaus notwendig zu rechtfertigen.

Das Buch war das letzte Werk des Autors, das bei Haymon erschien. «Während der Arbeit an diesem Band wurde mir klar, dass ich nie wieder bei Haymon oder in einem anderen österreichischen Verlagshaus publizieren möchte», erzählt Heisl . «Und jetzt bin ich naturgemäss der Ungustl.»

Gerne in der «Bücherstadt» Zürich

Zweieinhalb Jahre sind seit dem Bruch mit dem Verlagshaus vergangen. «Die Zeit danach war hart», sagt der Autor. Doch Heisl , eben aus Berlin zurückgekehrt, ist guter Dinge. Der Roman «Abriss», in dem er die Zerbröselung einer Seele, den Untergang eines Einzelkindes und seiner Familie schildert, wird im Herbstprogramm des Berliner Dittrich-Verlages erscheinen. Der Text ist sozusagen druckfertig, und die Arbeit an einem weiteren Roman ist ebenfalls abgeschlossen. «Ich habe weiter- und immer weitergearbeitet», so Heisl .

Seit der Haymon-Geschichte ist viel Wasser den Inn hinuntergeflossen. Der Autor hat sich gefangen. Eine ruhige Kugel wird er aber trotzdem nicht schieben. Heisl ist keiner, der sich einnistet. Er ist ein Reisender. In der «Bücherstadt», wie er Zürich nennt, lebt er gern. Begeistert ist er von den vielen Antiquariaten, besonders von Othmar Ehrbar an der Universitätsstrasse 17, «da gibt es Schätze zu entdecken, die man sonst nirgends mehr findet».

Seinem Geburtsort Innsbruck bleibt er dennoch lose verbunden. Durch die internationalen Tiroler Literaturtage «Sprachsalz», die er 2002 mitbegründet hat. Abgesehen davon ist er froh, der österreichischen «Kleinstadt, eingemauert zwischen Bergen», entronnen zu sein.

ZUR PERSON

Heinz D. Heisl
Der 1952 in Innsbruck geborene Heinz D. Heisl studierte Musik und begann erst 1988 zu schreiben. Seit 1999 lebt er als freier Schriftsteller. Er verfasste zunächst Lyrik, seit 2001 schreibt er ausschliesslich Prosa. Klang, Rhythmus und Tempo prägen die wortversponnenen lautmalerischen Arbeiten des Gitarristen und Schlagzeugers Heisl , der zudem ein stimmgewaltiger Inszenator der eigenen Texte ist. (cet)

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