Nichts ist wie...

Pforzheim: Es ist ein reines Vergnügen, dem österreichischen Schriftsteller Heinz D. Heisl bei seiner Lesung im Atelier von Anina Gröger zu lauschen. Der aus Innsbruck stammende Autor war auf Einladung der Künstlerin in die Goldstadt gekommen, um dort sein 2005 erschienenes Buch "Wohin ich schon immer einmal wollte - Eisenbahngeschichten" vorzustellen und zudem den bislang unveröffentlichten Text "Wo ist Wöerndle?" zu lesen.
Stadtschreiber in Stuttgart
Im Kulturhaus Markgräfler Hof in Basel hatten sich Gröger und Heisl vor wenigen Jahren kennen- und schätzen gelernt. Längst ist daraus eine Freundschaft erwachsen, die den österreichischen Autor, der in diesem Jahr das Stadtschreiber-Stipendium der Stadt Stuttgart erhalten hat, häufiger zu Besuch nach Pforzheim führt. Ob das Experiment einer Atelierlesung allerdings gelingen würde, vermochte niemand vorauszusagen. Umso überraschter waren Heisl und Gröger, als immer mehr interessierte Besucher in das geräumige Kunstatelier im Kollmar&Jourdan-Haus strömten, um mit den teilweise skurrilen Eisenbahngeschichten aus der Feder Heisls einen kurzweiligen Abend zu erleben. Am Ende ist die Besucherschar dreistellig - viele Besucher müssen stehend lauschen - "denn mit so vielen Menschen konnte wahrlich niemand rechnen", freut sich Anina Gröger.
Heisl ist nicht nur ein ebenso humorvoll formulierender und kritisch Politik und Gesellschaft betrachtender Autor, er ist vor allem ein brillanter Beobachter. Der Ich-Erzähler seiner Eisenbahngeschichten wird zusehends in die Irre geführt und sieht sich mit eigenartigen Erlebnissen und seltsamen Fahrgästen konfrontiert. Oft sind diese Reisen geheimnisvoll, immer auf unerwartete Weise skurril, überall lauern verstörende Überraschungen, nichts ist wie erwartet. Herrlich, wie Heisl die Figuren seiner Geschichten zu beschreiben vermag und dabei oft mit nur wenigen Worten klare Charaktere zeichnet.
Hinlänglich bekannte Alltagsszenerien erhalten eine neue, oft unerwartete Prägung, indem er wortgewandt - mal eine wenig zynisch, mal voll bitterer Süße und dann wieder geradezu unbedarft erscheinend - jene Geschichten erzählt, die trotz häufiger Wiederholungen nie langweilig werden, sondern vielmehr in der steten Wiederkehr des vermeintlich Bekannten ihren Reiz haben.
Dass der "Alpenrepublikaner", der in Kürze seinen Lebensmittelpunkt nach Zürich verlegen wird, zudem ein variabler und emotionaler Sprecher ist, begeistert. Erfrischend, wie es ihm gelingt, die Charaktere seiner markanten Protagonisten ebenso wie deren Stimmungen und Befindlichkeiten durch schöne Stimmmodulation darzustellen.
Am Ende wird Heisl mit viel Beifall für seine ungewöhnlichen Reisegeschichten belohnt.
Ralf Recklies, Pforzheimer Zeitung
Selbst Laut - 26. Feb, 15:30